„Er ist’s“

Mit mir zusammen fängt auch der Frühling in Vechta an. Ich bleibe gut vier Wochen, er ein bisschen länger. Dass er schon da war, habe ich beim Frühstück erfahren, als ich gerade meinen Kaffee schlürfte und die Zeitungen las. Spiegel Online hatte wie immer die Breaking News: „Sonntag um 05.30 beginnt der Frühling!“ Ich hatte ihn also verpasst und machte mich sofort auf den Weg, um ihn doch noch zu sehen, ging mit Hölderlin hinaus „ins Offene!“, das, wie sich später herausstellen sollte, im Kern das Verkaufsoffene war; die ganze Vechtaer Einkaufsmeile machte mit. Das zieht.

Aus allen Winkeln und Seitenstraßen strömen die Menschen lärmend auf die Große Straße, Vechtas Magistrale. Ich mische mich unters Volk und lasse mich treiben. Familien, Paare, Passanten und Flaneure, wir alle ziehen ins Zentrum, nach Norden hin, „streifen ahnungsvoll“ über die Münsterstraße. Von oben betrachtet bilden wir zusammen wohl jenes bunte oder „blaue Band“, das „der Frühling lässt“.

Wir kommen am Markt an, wo sich der zielstrebige Strom mit einem Mal in einen diffusen Haufen verwandelt; es ist ein großes Getümmel, dazwischen stehen Hüpfburgen und Fleischstände. „Süße, wohlbekannte Düfte“ steigen mir in die Nase. Der Fisch-Jan reicht mir ein knallrotes Seelachsbrötchen.

Ich kaue genüsslich und lausche aufmerksam, aber ein erhoffter „leiser Harfenton“ ist nirgends zu hören, bloß ein paar dumpfe Bässe „flattern durch die Lüfte“. Beim Nähertreten identifiziere ich einen Jeans-Laden als den Urheber. Die meisten Passanten sind ein bisschen genervt davon, das sehe ich. Aber ihr Ärger währt sicher nur kurz, denn klar ist: Sie, nicht die „Veilchen träumen schon“. Von Sneakern und Elektrohaushaltsgeräten. Die können sie nämlich ausnahmsweise auch heute kaufen. „Frühling, ja, du bist’s!“