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Gute Briefe

08.04.24

Ich blättere in dem Buch „Gute Briefe keine Kunst“, das Lucia aus der Bücherbox gezogen hat, und lese darin einen Absagebrief: Eine junge Frau sieht sich veranlasst, einem Mann abzusagen, der sie heiraten möchte. Diese erklärt Herrn Kludas: „Sie suchen eine Frau fürs Leben. Bitte fassen Sie es nicht falsch auf, wenn ich Ihnen sage, dass ich diese Frau nicht sein kann.“

Ich gehe spazieren aus der Stadt hinaus, vorbei an einem bellenden Schäferhund und dem „Apollo, nein!“ der Besitzerin. Der große Vogel macht „ha ha“ dazu. Ich bilde mir ein, hinter den Mauern der Stallanlage das Babygeschrei der Schweine hören zu können und finde Rehspuren im Matsch, keine Schweinespuren weit und breit.

Der Moorbach weist mir den Weg zurück und ich laufe an seinem Ufer durchs nasse Gras, ziehe mir die Socken über die Hose. Sorgfältig steige ich durch die beiden Bänder des Elektrozauns hindurch, ohne sie zu berühren, und drücke meinen Zopf platt. Bei jedem Schritt über die Weide sinken meine Schuhe tief in den Boden. Ich finde den Weg wieder, der mich in die Stadt zurückträgt und lasse einen blühenden Baum hinter mir, der laut summt. Die Frau im Supermarkt trägt einen ganzen Märchenwald tätowiert auf dem Arm.

Zu Hause lese ich eine Postkarte, die Lucia gefunden hat: „Meine liebe Reinhild! Nun damit Du siehst, dass ich ein guter Mensch bin, eine Ansichtskarte vom Dom zu Münster. Deine Veronika“. Würde Herr Kludas eine solche Karte als Liebesbeweis auffassen? Lucia hat mit Tape das Cover des Buches übers Briefeschreiben abgeändert. Das Schreiben guter Briefe ist nun eine Kunst.