Füße und Hunde. Das ist es, was man sieht, im Gedränge, wenn man klein ist. So klein wie mein Pferd.
Tauben auf den Gleisen. Wenn sich der Zug nähert, fliegen sie auf. Jedes Mal ein wenig später. Jede versucht die anderen zu übertreffen.
Bis einer weint, hätten damals meine Lehrer gesagt.
Warum nimmt das Pferd einen Zug?, fragen mich die Leute.
Am Ostermontag!
Na, wie soll es denn sonst 700km an einem Tag zurücklegen?, frage ich.
Es hat Termine, das Pferd.
Aber fragen Sie es doch selbst, wenn Sie eine Frage haben.
Die Welt wartet nicht auf uns!, fügt das Pferd hinzu.
Aber die Leute hören schon nicht mehr hin.
Das Aggressionspotenzial der Reisenden am Ostermontag.
Der Zug hält. Mitten auf der Strecke.
Typisch, stöhnen die Reisenden.
Eine Gruppe Sanitäter rennt mit Taschen am Fenster vorbei.
Typisch, da hat sich doch nicht wieder einer…?, ruft einer der Reisenden.
Stöhnen.
Ostermontag. Das Pferd weiß nichts davon.
Es spürt nur die Blicke. Mama, ich kann nicht mehr, sagt das Kind.
Die Fahrtgäste stöhnen im Chor: T!! hhh….
Das Pferd spürt das Zucken der Mutter, als alle Blicke auf ihr landen.
Ice Cream, Kaffee, Twix, Prosecco, Erdnüsse, Sandwiches, ruft der Herr mit dem Rollwagen immer wieder.
Das Pferd bestellt Kaffee.
Es mag ihn dann doch nicht, also muss ich ihn trinken.
Sonst hat ihm keiner was abgekauft, sagt das Pferd entschuldigend.
Das Rascheln der Vespertüten.
Wo gibt es hier Wasser?, fragt das Pferd.
Im Bordbistro, für 3 Euro.
Das Pferd stampft mit dem Vorderhuf.
Sie können ja auf die Toilette gehen, schlagen die Mitreisenden vor.
Einer mit so einer Mähne, ja, so einer glänzenden Mähne, der geht für Wasser nicht auf der Toilette! , sagt das Pferd streng.
Tür auf, Tür zu.
Es zieht!, ruft eine Reisende.
Wir wünschen eine angenehme Fahrt!, ruft der Schaffner.
Es wird fleißig geniest. Frühling wird’s. Da wird das Gras saftig. Das Pferd frohlockt.
Das Pferd mag Sandwiches nicht. Es mag Weiden. Die sind da draußen.
Es wird getippt, gewischt, gemampft. Ruhezone.
Geschnarcht, geschnieft, gestöhnt.
Draußen grüne Wiesen.
Für das Pferd ist kein Sitzplatz mehr übrig.
Haben Sie reserviert? fragt der Schaffner.
Das Pferd hat nicht reserviert.
Es hat eine gültige Fahrkarte und will sich setzen. Es schnaubt.
Bei acht Stunden Fahrt steigt auch seine Aggressionskurve.
Wenn ich den vollen Preis bezahle, fängt das Pferd an, dann zahle ich für eine Fahrt mit Sitzplatz. Und wenn ich stehen soll, ja, wenn ich stehe, dann möchte ich mein Geld zurück!
Jawoll, rufen die Fahrgäste.
Die Deutsche Bahn, die ist doch das Letzte!, ruft das Pferd.
Jawoll, rufen die Fahrgäste.
In Frankreich! In Frankreich da hat man einen Platz wenn man sich ein Ticket kauft!, ruft das Pferd.
Oui, bien sûr, rufen die Fahrgäste.
Das Pferd schnaubt. Seine Nüstern sind weich und der Schaffner streicht ungefragt darüber. Der Schaffner hatte sich ein Pony gewünscht, damals, als er noch ein kleiner Bub war.
Aber manche Dinge bleiben Träume, wie die grünen Wiesen da draußen, hinter dem Fenster, 200 Stundenkilometer schnell verflogen.
Das Pferd soll sich doch einfach zum Hund setzen, schlägt der Schaffner vor.
Das Pferd will nicht zum Hund.
Der Hund stinkt, schnaubt es.
Also so etwas lasse ich mir nicht bieten!, ruft die Hundemutti.
Das Pferd ist doch so klein, das braucht keinen eigenen Sitzplatz, sagt der Schaffner.
Ich habe den vollen Preis bezahlt!, ruft das Pferd.
Aber den Mitreisenden ist die Lust an der Revolution verloren gegangen.
Und ihr?, ruft das Pferd wiehernd, ihr stinkt auch!
Ich gebe dem Pferd von den extra feinen Möhren, die für Notfälle.
Es kaut.
Es ist seine erste Zugfahrt, sage ich entschuldigend in die Runde.
Erinnern Sie sich noch an ihre erste Zugfahrt?
Manchmal ist man nicht klein genug, um in der Masse unterzugehen.