II Verd dichtet.

 

Verd dichtet:

Kälte, Pfützen, Regen.

Still ist es hier, bis auf das Beben

Des Winds. 

…und den Sportwagen, den SUVs, ach ihr kennt das ja.

 

Verd sagt sich:

Auch ich muss meine Geschwindigkeit erhöhen!

Ich bin schneller als der Wind.

Denn: mein Rad gewinnt! 

Ich bin der König der Straßen

In Vechta am Fortrasen.

 

Aber das, sagen sich viele

Und rasen mit Pferdestärken im Wind

Haben ihre Ziele

– und Verd beginnt

mit Stille.

 

Das Pferd ist zufrieden.

Es legt den Stift zur Seite.

Gut, dass es inzwischen warm ist.

Das Pferd mag es, sich auf den Rücken zu legen und sich den Bauch von der Frühlingssonne wärmen zu lassen.

Letzte Woche war es anders – kalt und trüb:

 

—–

 

Es ist kalt und trüb.

Das Pferd langweilt sich.

– Warum sind wir nochmal hier?, fragt es.

Ich schaue kurz auf.

– Na, das weißt du doch: Wir haben dieses Stipendium bekommen und arbeiten zum Thema Mobilität und somit zur Wahrnehmung von Geschwindigkeit in der heutigen Zei…

– Ja, ja, Blabla, pfrrrrr, schnaubt das Pferd.

– Wir werden unterschiedliche Menschen treffen und du darfst ihnen Fragen stellen, sage ich. Und genau das versuche ich gerade zu organisieren!, und tippe weiter auf meinen Laptop ein.

– Ja, sagt das Pferd nochmal. Ich weiß.

Es läuft in unserem Studio auf und ab, vier Meter von der Tür bis zum Fenster, zwei Meter vom Bett bis zur Küchenzeile und wenn es bis in die Badezimmernische läuft, hat es bei seiner Körpergröße einen richtigen Spaziergang gemacht.

– Machst du nochmal das Fenster auf?, fragt das Pferd, als es mit der zweiten Runde fertig ist.

– Schon wieder?

– Ja.

Ich mache die Tür der milchigen Fensterfront auf.

Es ist kalt, sagt das Pferd sofort.

Ich tu so, als hätte ich das nicht gehört und klicke weiter auf meinem Laptop herum.

Ich spüre Verds Blick in meinem Rücken.

Es regnet rein, sagt das Pferd.

Ich werfe einen kurzen Blick zum Fenster.

Das Pferd hat recht, es regnet auf den Boden.

Ich klicke weiter.

Meine Mähne wird ganz nass, sagt das Pferd.

Es hat sich direkt in die immer größer werdende Pfütze gestellt.

Ich schrecke hoch, mache das Fenster zu.

– Du weißt doch, dass wir nachher drehen wollen! Mit dem Dienstfahrrad! Und wenn du jetzt schon ganz nass bist…

Ich höre mich selbst reden und muss an meine Mutter früher denken.

Aber das hier ist kein Kind. Das ist ein Pferd und müsste es besser wissen.

Pfrrrrr, schnaubt das Pferd.

Ich klicke weiter durch meine Liste an möglichen Vechta-Kontakten. Aber einfach so anrufen? Wenn das Konzept noch nicht schlüssig ist? Oder ist es doch schlüssig? Sollte ich einfach anfangen? Sind es die richtigen Kontakte?

Ein Rieseln und Knattern reißt mich aus meinen Gedanken.

Im gesamten Studio verteilen sich eine Unmenge an braunen Linsen.

Das Pferd steht oben auf der Küchenzeile, neben ihm die nun leere Packung und scharrt betreten in der Luft.

Kurz bewundere ich, wie viele Linsen in so eine Tüte passen.

Dann schimpfe ich.

– Wie bist du überhaupt da hochgekommen??

Und krabble halbherzig mit einem Handfeger durchs Studio.

– Pfrrrr, macht das Pferd und schaut mir von oben zu.

– Ich kann mich hier gar nicht recht konzentrieren, sagt es schließlich.

– Kannst du nochmal das Fenster aufmachen?

Ich stöhne laut.

Mein Nachbar hinter der viel zu dünnen Wand zum nächsten Studio stöhnt zurück.

Wir haben das Pferd natürlich weder bei der Buchung noch beim Einchecken angegeben. Dafür verhält es sich eindeutig zu laut.

Ich packe das Pferd mit Daumen und Zeigefinger, es strampelt und schnaubt.

– Wir gehen raus, sage ich entschlossen und klappe den Laptop zu. Schnappe meine Jacke, versuche das laut protestierende Pferd so gut es geht darin zu verbergen und eile die Treppe runter.

Draußen entspannt sich das Pferd.

Vielleicht entspanne auch nur ich mich.

– Wie willst du denn die Stadt erkunden, wenn du nur hinter deinem PC sitzt?, fragt das Pferd schließlich.

– Ach, das verstehst du nicht, sage ich.

Ich denke kurz nach.

– Wahrscheinlich hast du recht, sage ich schließlich und wir sind wieder versöhnt.