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Im Gang der Notaufnahme

03.04.2024

09:59 Uhr

Ich bin dem Regen entflohen und einfach ins Krankenhaus rein. So sitze ich jetzt im Gang der Notaufnahme Vechta. Eine Frau wurde vom Rettungsdienst gebracht. Der Arzt fragt, ob sie vom Rad gefallen sei und wo es weh tut.
“Da?”
“Nein, nein! Der Oberarm!” 
Sie wird in die Notaufnahme gerollt.

Im Gang der Eingangshalle weint ein Baby. Rechts am Ende der Stuhlreihe erzählt eine jüngere Frau am Handy, dass sie ihr Bein gebrochen hat. Frisch eingipst, roter Verband. Montags kann sie aber zu ihrem Seminar, nur die Wochenendpläne fallen leider aus.

Zwei Kinder gehen mit ihren Eltern durch den Gang, an dessen Ende ein Schild mit einem Pfeil Richtung “Röntgen” weist. Der Vater hat kurze Hosen an, auf seinem rechten Schienbein ist Mario Kart tätowiert. Die Frau mit dem gebrochenen Bein sagt ins Handy: “Weißt du was cool ist? Hier in der Notfallaufnahme gibt’s auch Kotztüten, richtig witzig, hatte überlegt, welche mitzunehmen.”

Links neben mir sitzt ein älteres Paar, aber ihre Gespräche sind schwer zu verstehen. Ein Mann schlurft schwerfällig an uns vorbei. Aus dem Röntgen-Bereich kommt ein kleiner Junge mit seiner Mutter. Er nascht eine kleine Tüte Belohnungsgummibärchen. Ein altes Paar kommt aus einem Seitengang: “So, dann gehen wir jetzt erstmal ins Labor.”

Zwei Menschen kommen sich entgegen. 
“Moin.”
“Moin.”

Eine Krankenpflegerin trägt eine graue Kiste an mir vorbei. 

“So, Herr (…), jetzt haben wir alles zusammen. Das ist einmal der Bericht. Stecken sie alles ein. Einmal für den Hausarzt.” Dann geht sie zurück in die Notaufnahme, ohne Tschüss zu sagen. Der Herr links neben mir steht auf und rollt mit dem Gehwagen langsam Richtung Eingangshalle davon.

Eine Frau wird in einem Bett aus Richtung Röntgen durch den Gang gerollt. In ihrer rechten Hand steckt eine Infusion. Zuerst hält sie sich das linke Auge zu, dann fasst sie sich an den Hals. Die Rollen rattern über die Fliesen. Von links kommt ein weiteres, älteres Paar. Sie geht gestützt an einer Krücke. Der linke Unterarm ist einbandagiert. Aus ihm ragen lauter eingewickelte “Dornen”, vielleicht Stahlschrauben, statt einem einfachen Gips. Keine Ahnung, bei welcher Art von Bruch man so vorgehen muss.

Die Frau, die vom Rad gestürzt ist, wird von hinten aus dem Gang von den Rettungskräften in ihrem Bett geschoben und erneut in die Notaufnahme befördert. Offensichtlich war sie kurz hinten beim Röntgen. Der Mann rechts neben mir steht auf, die beiden blinzeln sich zu. Sie gehören wohl zusammen. Er setzt sich wieder hin. 

Die junge Frau mit dem roten Gips hat aufgehört zu telefonieren. Sie hat einen Stoffbeutel, auf dem steht “Meine Lieblingsfarbe ist bunt.”

Menschen laufen von links nach rechts. Tragen oder rollen Dinge, halten Befunde oder Überweisungen in der Hand. Die Frau links neben mir wird aufgefordert, sich eins weiter nach rechts zu setzen, da direkt hinter ihrem Rücken der Schalter für die elektrische Tür zur Notaufnahme ist. “Dann geht das einfacher…”

Als ich wieder nach rechts gucke, ist die rot eingegipste junge Frau weg. 

Der Mann, der wegen der Vom-Rad-Gefallenen kam, spielt nun ein Handy-Spiel und hält dafür den Bildschirm schräg. Der Mann links neben mir, in einer roten Fließjacke, liest auf den Blättern des “Spendenbaumes”, der direkt an der Wand uns gegenüber hängt, wer alles “1.000 Euro und mehr” seit 2010 gespendet hat. Dann holt er sein Handy raus. Es ist 10:21 Uhr sehe ich auf seinem Bildschirm, dann schaut er nochmal auf den Spendenbaum.

Eine Notfallärztin kommt zum Mann rechts neben mir und sagt:
“Sie können gleich zu ihr.”
“Hat sie alles gut überstanden? Die Fahrt und so?”
“Na mit uns auf jeden Fall. Sie hat schon gefragt, wie das Zeug heißt und wo man das kaufen kann.”

Eine Ärztin weist einem Vater mit kleinem Sohn, der blinkende Schuhe und einen Mini-Teddybären trägt, den Weg zur Kinderambulanz.
“Dann sehen wir uns da um kurz nach zwölf!”
Bis dahin ist noch Zeit, daher gehen die beiden in die andere Richtung.
“Aber erst ein Spielzeug…” sagt der Kleine.

Von links kommt ein junger Mann mit Latschen und einer Tamponade unter der Nase.

Ein Baby wird durch den Gang geschoben. Das kleine Baby-Bett auf Rollen ist mit einem gelben Handtuch verhangen, sodass die Keime nicht an es rankommen.

Der Mann links neben mir versucht, sich ins W-LAN zu verbinden, aus Interesse versuche ich es auch, doch es gibt nur die “Komfortstation” – mit Passwort.

“Moin!”
“Moin!”

Der Mann schaut wieder auf den Spendenbaum. Im Foyer läuft der Nasen-Tamponierte. Eine Tür öffnet sich und eine Mitarbeiterin der Cafeteria kommt heraus. Irgendwo klingelt ein Telefon.

“Guten Tag.”
Ein Mann kommt zu der Frau, die den Platz vor dem Schalter freimachen sollte. Sie beginnt, ihm leise etwas zu erzählen. “Eingeliefert worden…. Sie haben festgestellt… von dem einen auf den anderen Morgen Kopfschmerzen… es kam aber raus… das hat sich dann… und der ist jetzt wieder reaktiviert worden… schrecklich ist das…”

Der Mann, der zur Fahrradunfall-Frau gehört, wird aufgerufen.
“Können Sie mal mitkommen?”
“Na klar!”
Er eilt in die Notaufnahme.

Ich beschließe, weiterzuziehen.

11:05 Uhr

Als ich zum Café laufe, sagt eine Frau, die ihr Rad schiebt, zu mir: „Was für ein schreckliches Wetter. Meine Enkelin hat am Sonntag Erstkommunion!“
„Aber da soll’s sehr schön werden.“ beruhige ich sie.
„Wehe, wenn nicht!“
Sie steigt auf ihr Rad.
„Gute Fahrt und nicht vom Rad fallen!“
„Ciaoooo!“
„Tschüssi!“