Seit vorgestern habe ich mein Stadtschreiberfahrrad. Jetzt muss ich nicht mehr durch den Regen laufen, sondern kann durch ihn hindurchfahren. Man sagt, es sei kleinbürgerlich und uninteressant, vom Wetter zu reden. Aber das riskiere ich. Man kann ja nicht immer aristokratisch, großbürgerlich oder proletarisch sein. Und auch nicht immer interessant.
Ich habe mal ein Jahr lang in Belgien gelebt und auch dort hat es immerzu geregnet. Überhaupt scheint Flandern dem deutschen Nordwesten zu ähneln: ein beträchtlicher Wohlstand, viel Backstein, weder Berge noch Metropolen. Belgien war für mich das durchschnittlichste Land der Welt, ein bisschen langweilig. Ich dachte dabei an Waffeln, Schokolade und Bicky Burger. Das geht nun nicht mehr. Heute muss ich an Nagelbomben denken.
In Paris habe ich auch mal gelebt und fand es weniger aufregend als alle sagen und als es nach Benjamin, Hemingway, Roth und Modiano eigentlich sein müsste. Dann gab es dort im vergangenen Jahr die Anschläge; und der Front National wird zur stärksten Kraft. Jetzt ist es ausgeschlossen, sich nicht für Paris zu interessieren.
Das Böse ist interessant. In „interessanten Zeiten“ zu leben wünscht das chinesische Horoskop darum keinem. Hegel dazu: „Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr.“ Oder auch: „Die Langeweile, die im Bestehenden einreißt“, ist „Vorbote, daß etwas anderes im Anzuge ist“.
Wohl dem, dem noch langweilig ist. Glücklich, wer noch vom Wetter reden kann.