(Video siehe unten)
– Fragen Sie den Filialleiter, sagt die Frau am Telefon.
– Fragen Sie die Zentrale, sagt der Filialleiter.
– Fragen Sie die Presseabteilung, sagt die Zentrale.
– Wie??, sagt die Dame von der Presseabteilung. Sie wollen mit einem Pferd in den Supermarkt? Das ist aber eine seltsame Anfrage.
Es ist schwer, Verd vom Hörer abzuhalten. Es will selbst mit der Presseabteilung reden.
– Es ist besser, wenn ich rede, flüstere ich ihm zu.
– Wir würden gerne mit einem Mitarbeiter von der Kasse reden, sage ich.
– Das geht nicht, sagt die Presseabteilung.
– Warum denn nicht?, ruft das Pferd rein.
– Naja, sagt die Presseabteilung, wir wollen natürlich – und das verstehen Sie sicher – dass unser Markt positiv dargestellt wird…
Und jetzt, per E-Mail, ist es offiziell: Verd darf nicht in den Supermarkt.
Sie wissen es wohl: Verd ist ein kritisches Pferd.
Es stellt Supermärkte nicht positiv dar.
Natürlich gehen wir trotzdem in den Supermarkt! Wir haben so viel darüber gelesen, wir müssen es sehen! Es war der „Supermarkt des Jahres“, er bietet „Genusswelten“ und richtig viel „Convenience“ und kann Kunden verführen um den Durchschnittsbon an der Kasse zu erhöhen. Er ist mehr als ein Supermarkt: Er ist ein Erlebnismarkt!
Wir sind beide furchtbar aufgeregt.
Es ist ein sonnig-windiger Tag, wir reiten geschwind durch Vechta. Ich verstecke Verd in meiner Jackentasche und bläue ihm ein, dass es ja nicht weglaufen darf.
Dann stehen wir davor: Schon hier merke ich, dass etwas Seltsames mit mir passiert. Alles ist auf einmal sympathisch, nordisch und sogar frisch. Riesige Parkplätze, ein Glücksrad: Ich weiß es jetzt – wir sind im Einkaufsparadies!
Ich höre noch leise, wie aus einer anderen Welt, Verds Stimme aus meiner Jackentasche: Geh da nicht rein!
Aber es ist zu spät, ich gehe hinein. Ich schaue, staune, greife zu. Es gibt alles, was man sich wünscht und noch viel mehr: Billig, teuer, kuschlig, frisch! Spielecken mit riesigen Plüschbären, Obst und Gemüse, so knackig wie auf dem Wochenmarkt, rot beleuchtetes Fleisch, leuchtend, als sei es eben geschlachtet worden, eine Kaffeerösterei, eine Schminkecke, die dramatisch-kühl ausgeleuchtet ist. Ja, es ist sexy! Ein sexy Supermarkt! Ich laufe von Gang zu Gang, von Regal zu Regal. Immer mehr Artikel türmen sich in meinem Einkaufswagen. Ich könnte weinen vor Glück! Auch die anderen Kunden um mich herum strahlen. Wir alle sind vereint, im Paradies! Ich weiß nicht mehr, warum ich hier bin, ich weiß nur, ich bin auf der anderen Seite angelangt.
Aber da verspüre ich einen kräftigen Tritt und dann noch einen und noch einen. Verd ist immun gegen den Verführungszauber. Und ich auf einmal auch. Ich bin nicht verloren, wie die anderen. Ich schaue um mich, schaue schuldbewusst das Pferd an und dann den Einkaufswagen, dessen Inhalt sich bis zur Decke türmt.
Puh, sage ich. Das war knapp.
Pah!, sagt das Pferd. Es macht einen großen Biss in einen der Äpfel aus dem Einkaufswagen. Eigentlich wollte ich nichts davon kaufen, sage ich.
Lass uns gehen, sagt Verd.
Ich lasse den Wagen stehen, wo er ist. Nur den angebissenen Apfel nehme ich mit und bezahle an der Kasse. Das gehört sich schließlich.
Ins Reformhaus darf das Pferd. War ja klar. Da, wo sie halt hingehen, die Ökos und die Hipster und die Pferde.
Das Pferd nörgelt herum, dass alles ziemlich teuer ist, aber schließlich sei es Bio, keine Pferde werden dafür ausgenutzt und du zahlst, meint es dann und legt eine Tüte Gummi-Pandabären in den Einkaufswagen.
Hier gibt es kein Fließband, aber die Kassiererin tut Verd den Gefallen, scannt es und setzt es in das Einkaufskörbchen. Fast wie Supermarktfeeling. In eine Tüte verpackt sie es allerdings nicht. Denn Plastik ist zu vermeiden!