(Video siehe unten)
Mensch, sagt das Pferd und schaut vom Laptop auf, legt das Smartphone zur Seite. Irgendwas stimmt nicht mit mir: Ich habe Schlafstörungen, Depressionen, einen echt verspannten Rücken und kann mich nicht mehr konzentrieren.
Pferd, sage ich. Du leidest unter dem Stress unserer überschleunigten Welt. Lass uns zusammen in den Yoga- Unterricht gehen!
Gesagt getan: Yogaschule Vechta geben wir in die Suchmaschine ein und eine Stunde später sind wir bei der Yogalehrerin. Sie führt uns in ihr frisch gegründetes Reich: Schon beim Eintreten riechen wir Yoga – duftende Räucherstäbchen, schmecken Yoga – wir bekommen Tee serviert, und sehen Yoga – denn an den Wänden hängen indische Decken.
Die Yogalehrerin erzählt uns von ihrem Leben, wie die gebürtige Vechtaerin trotz des Widerstands ihrer Familie und ihres Umfeldes mit 17 Jahren nach Oldenburg trampte, um Yoga zu lernen. Vegetarismus und Meditation kamen 70er Jahren in Vechta nicht gerade gut an.
Sie erzählt von unserer Gesellschaft, die rasend geworden ist, in der zu viele Informationen auf uns einströmen, zu viel Bewegung ist und wir an Stress erkranken. Yoga, sagt sie, ist eine Methode, um zur Mitte zu kommen. Wie bei einer Kugel: außen ist am meisten Bewegung, im Innern der Kugel am wenigsten. Da ist Ruhe und Stille.
Verd denkt angestrengt über dieses Bild nach, macht schließlich ein paar Purzelbäume und versucht sich als Kugel zu fühlen.
Die Yogalehrerin erzählt, dass sich die Yogis an den Tieren orientierten, als sie vor 5000 Jahren die Figuren, die Asanas, entwickelten.
Denn von den Tieren können wir Menschen einiges lernen, sagt sie.
Das stimmt!, ruft Verd vergnügt.
Das Tier hat eine andere Bewusstseinsstufe, fährt sie fort.
Genau!, ruft Verd.
Es reflektiert nicht ständig: Findet der mich gut? Wie sehe ich aus?, erklärt sie.
Verd räuspert sich und schaut betreten zu Seite.
Dann dürfen wir in den Yogaraum. Saubere Matten sind ausgelegt, darauf Decken und Kissen. Vorne sind Klangschalen und ein Gong aufgestellt.
Wir widmen uns den Tieren!
Wir sind Kobras, die sich erheben, weil sie nicht im Staube kriechen wollen, obwohl sie weder Arme noch Beine haben.
Wir sind Hunde, die sich strecken, abwärts schauen und eine neue Perspektive der Welt gewinnen.
Wir sind Fische und atmen Schwerelosigkeit, sind leicht und froh.
Wir sind eins mit dem Körper, eins mit dem Geist.
Oooooooooohhhhmmmm, macht Verd.
Wir sind klug wie die Tiere, die es nicht lernen müssen eine Pause zu machen.
Weißt du was, sagt Verd zu mir, als wir wieder draußen sind. Die Yogalehrerin hat recht. Das alles sind Dinge, die ein Tier nicht nötig hat. Ich muss wieder zu mir finden. Auch wenn es hart wird: ich werde dich jetzt verlassen. Ich ziehe in den Wald, galoppiere über weite Wiesen, weide auf grünen Hügeln und lebe den Moment, die Natur. Lebe wohl, du Künstlerin! In meinem Herzen hast du dennoch einen Platz.
Und da galoppiert Verd davon.
….
Ich schaue auf die Uhr, gehe im Supermarkt noch schnell Babymöhrchen und feine Spinatblätter kaufen. Zu Hause wasche ich sie, richte sie in Verds Lieblingsteller an.
Um Punkt sieben öffne ich die Tür. Verd steht schuldbewusst und mit verklebtem Fell davor und scharrt auf der Fußmatte. Ich lasse es kommentarlos herein, striegle und füttere es, bis Verd erschöpft vor dem Youtube-Channel einschläft.
Du?, sagt es dann noch.
Ja?
Wollen wir morgen nochmal Yoga machen?